Blick auf die Börse: Zeichen stehen auf Wind

Windkraft-Hersteller leiden unter den hohen Rohstoffpreisen, denn die konjunkturellen Risiken nehmen derzeit zu. Die hartnäckige Inflation wird von den Zentralbanken mit weiter steigenden Zinsen bekämpft, was einerseits einen Kostenfaktor für die Unternehmen darstellt, andererseits auch ein höheres Hindernis für die Bewertung von Finanzanlagen, darunter Aktien, ist. Insbesondere Wachstumsaktien sind betroffen: Sie haben im bisherigen Jahresverlauf gegenüber den Value-Aktien um über 20 % schlechter abgeschnitten.

Unter dieser Schwäche des Growth-Sektors haben auch die Aktien von Windkraft-Unternehmen gelitten – und das, obwohl die Vermutung nahelag, dass alternative Energien eigentlich von der akuten Öl- und Gaskrise profitieren sollten. Und tatsächlich sah es in den ersten Wochen nach dem Kriegsausbruch in der Ukraine auch so aus, als ob der Markt honorieren würde, dass die erneuerbare Windkraft unabhängig von Öl- und Gasimporten produziert wird. 

Doch schon ab dem April haben die Aktien von Windkraft-Herstellern wie Vestas trotz der rekordhohen Energiepreise wieder Kurseinbussen hinnehmen müssen und erneut an den seit Dezember 2020 zu beobachtenden Abwärtstrend angeknüpft. Derzeit notieren diese Aktien in etwa auf dem Niveau der Jahre 2018-2019.

Kursverlauf von Windkraft-Herstellern: 

Chart: Kursverlauf von Windkraft-Herstellern
Quelle: Bloomberg, LLB (eigene Darstellung)

Hohe Rohstoffpreise als Belastungsfaktor

Die enttäuschende Performance liegt vor allem an den erhöhten Inputkosten. Stahl und Eisen machen über 90% der für den Bau von Windrädern notwendigen Rohstoffen aus. Zusätzlich werden Zink, Kupfer, Aluminium, Mangan, Nickel und Chrom in geringeren Mengen benötigt. Die in USD gewichteten Rohstoffpreise haben sich vom Sommer 2020 bis Sommer 2021 verdreifacht. Der Kriegsausbruch im Februar 2022 löste während zwei Monaten auch eine Rohstoffhausse aus.

Gewichtete Inputpreise der für die Herstellung von Windrädern notwendigen Rohstoffe (in USD):

Chart: Gewichtete Inputpreise der für die Herstellung von Windrädern notwendigen Rohstoffe (in USD):
Quelle: Bloomberg, LLB (eigene Darstellung)

Die Windkraft-Hersteller konnten ihren Kunden die höheren Rohstoffpreise nicht 1:1 weitergeben. Die eigentlich gute Auftragssituation wurde so zur Last. Die Rohstoffpreis-Hausse 2020/2021 erklärt den für 2022 wahrscheinlichen Verlust von Vestas Wind. Das Unternehmen hat im Halbjahresergebnis 2022 angekündigt, die Kosteninflation stärker auf die Kunden überwälzen zu wollen. Das ist ein wichtiger Schritt, der sich aber nur auf neue Aufträge auswirken wird. So steht nach neun Monaten ein Verlust von über einer Milliarde Euro, deutlich mehr als von den Analysten erwartet. Und auch die neue Prognose des Managements ist noch schwächer als befürchtet.

Rückgang der Rohstoffpreise seit April 2022 ermöglicht den Turnaround im 2023

Dennoch erwarten wir im nächsten Jahr bei Vestas Wind einen Turnaround, weil die Rohstoffpreise sich seit April 2022 merklich reduziert haben. Uns erscheint die von den Analysten erwartete EBITDA-Marge für das Jahr 2023 von 8,8 % zu konservativ. Bei den gegenwärtigen Rohstoffpreisen müsste Vestas Wind mit einer zweistelligen EBITDA-Marge arbeiten können. Mit ähnlichen Rohstoffpreisen konnte Vestas Wind z.B. im Jahre 2019 mit einer EBITDA-Marge von knapp unter 13 % arbeiten. 

Chart: Rückgang der Rohstoffpreise seit April 2022 ermöglicht den Turnaround im 2023
Quelle: Bloomberg, LLB (eigene Darstellung)

Service-Geschäft nimmt an Fahrt auf

Die Gewinnmargen der Jahre 2024 und 2025 dürften von der zunehmenden Bedeutung der Service-Einheit gestärkt werden, weil diese Einheit mit hohen und stabilen EBIT-Margen von 20-25 % arbeitet. Der derzeitige Umsatzanteil dieser Einheit beläuft sich auf 21,5 %. Hier sehen wir Aufwärtspotenzial, weil der Bestand von Windkraftanlagen derzeit stark ausgebaut wird. Diesbezüglich dürfte der Konsens positiv überrascht werden, weil die Sellside lediglich einen Umsatzanteil von 21,5 % annimmt. Die Service-Einheit hat im 3. Quartal 2022 verglichen mit der Vorjahresperiode bei einem Umsatzanteil von 21 % und einer EBIT-Marge von 24,5 % ein hervorragendes Ergebnis geliefert.

Chart: Service-Geschäft nimmt an Fahrt auf
Quelle: Bloomberg, LLB (eigene Darstellung)

Vestas dürfte ab 2023 wieder die Kapitalkosten verdienen

Historisch betrachtet musste man für Vestas Wind mit den höchsten Gesamtkapitalkosten der Peergroup rechnen. Trotzdem hat das Unternehmen regelmässig die eigenen Kapitalkosten mehr als verdienen können. Die Differenz zwischen dem Ertrag auf das eingesetzte Kapital und die Gesamtkapitalkosten betrug im Mittel knapp 2 %. Der erwartete Turnaround der EBITDA-Marge ab 2023 wird es Vestas ermöglichen, wieder die eigenen Kapitalkosten zu verdienen. Das wird der Gesellschaft im Geschäftsjahr 2022 wegen der Rohstoffpreishausse nicht gelingen. Für uns ist dies ein Schlüsselfaktor bei unserem Anlageentscheid.

Chart: Vestas dürfte ab 2023 wieder die Kapitalkosten verdienen

Strukturelles Wachstum der Windkraft-Branche

Die COP27 zeigte auf, dass ohne einen verstärkten Einsatz von erneuerbaren Energien die Energiewende nicht realisiert werden kann trotz des aktuellen konjunkturellen Gegenwinds. Gerade die geopolitische Situation verdeutlicht, dass erneuerbare Energien der Eckpfeiler jeder Energiestrategie sein sollten. Obwohl im Jahr 2022 der Auftragseingang von Windkraftanlagen wegen der geopolitischen Lage enttäuschte, rechnet die IAE bis zum Ende des laufenden Jahrzehntes mit einem Ausbau der Windenergie von 17 % p.a. Die Kapazität der Windkraftenergie wird sich nach Schätzungen der internationalen Energieagentur weltweit von 1870 TWh per Ende 2021 auf knapp unter 8000 TWh per 2030 ausweiten müssen, damit das Net-Zero-Szenario in Reichweite bleibt.

Chart: Strukturelles Wachstum der Windkraft-Branche

Ein höheres Momentum beim Abbau der regulatorischer Hürden würde die Anzahl der Windkraftanlagen drastisch erhöhen. Aus unserer Sicht sind diese Schätzungen mehr als realistisch.

Die Rolle der Windkraft als Energieversorger wird also mittel- bis langfristig wesentlich zunehmen. Wir gehen von einem säkulären Wachstumstrend aus und sehen für langfristig denkende Investoren Potenzial. Zwar sind die Aktien der Windanlagenbauer aus heutiger Perspektive wegen des deutlichen Gewinnrückganges und des Margenverfalls im Geschäftsjahr 2022 teuer bewertet. Mit Blick auf die nächsten Jahre erwarten wir jedoch ein deutliches Gewinnwachstum, was die Bewertung aus unserer Sicht sehr attraktiv erscheinen lässt. 

Die Positionierung von wiLLBe

In unserem wiLLBe-Portfolio «Saubere Energien» nutzen wir die Anlageopportunitäten in Windenergie-Unternehmen für die Kunden aus. Die Titel mit den höchsten Gewichtungen sind Vestas Wind und Orsted.

Zwei wichtige UN-Konferenzen zum Jahresausklang 2022

Bis zum Jahresende bestimmen die Klima-COP und die Biodiversität-COP den Newsflow. An der Klima-COP wurden die CO₂-Reduktionsziele nicht verschärft. Wir hoffen, dass die Biodiversität-COP die Ziele verschärft. Ob anschliessend konkrete Massnahmen getroffen werden, um diese Ziele zu erreichen, wird sich zeigen. Die Notwendigkeit des Umbaus hin zu einer emissionsfreien Energieerzeugung wird jedenfalls wieder ins Blickfeld der Investoren geraten.

Portrait Javier Lodeiro

Javier Lodeiro

Experte für Impact Investing bei wiLLBe

Egal, ob es um erneuerbare Energien, nachhaltige Anlagen oder Biodiversität geht, Javier Lodeiro behält den Durchblick. Als LLB-Fondsmanager und langjähriger Finanzanalyst verfolgt und analysiert er bei der LLB die Nachhaltigkeitstrends. Javier begleitet dich auf deinem Weg als Investor:in mit Impact gerne mit Hintergründen und praktischen Tipps, damit wir nachfolgenden Generationen gemeinsam eine möglichst intakte Welt übergeben können.


Rechtlicher Hinweis: Angaben im Sinne der Finanzanalyse-Vorschriften (Gesetz, Verordnung) findest du unter Rechtliche Bedingungen.